Die Geburtstunde des Jugend-Kultur-Preis...

des Landes Sachsen-Anhalt geht auf das Jahr 1997 zurück.
Der erste Jugend-Kultur-Preis widmete sich thematisch dem Land, in dem er ausgelobt wurde: Sachsen-Anhalt. Wie nehmen die Kinder und Jugendlichen ihre Umgebung, ihre Heimat und ihre Mitmenschen wahr? Wie lebt es sich in Sachsen-Anhalt?

Leider sind aus diesen frühen Jahren nicht mehr alle Unterlagen erhalten geblieben. Wir haben jedoch ein Interview mit Jutta Stein für euch, welche als Leiterin der Bauhaus-Kinderwerkstatt den ersten Platz gewinnen konnte. Sie und ihre Kinder setzten sich gegen 80 weitere Einreichungen durch.

Und hier sind die Platzierungen:

1. Preis- 7.000 DM
Kinderwerkstatt der Stiftung Bauhaus Dessau Beitrag: Reisebuch von Kindern für Kinder über die Region Dessau-Wittenberg-Bitterfeld

2. Preis – 5.000 DM
Anhaltische Musikwerkstatt für Kinder und Jugendliche e.V., Bernburg
Beitrag: Oper „De nozze di Cherubino“ mit Video, Foto-Dokumentation und Partitur

3. Preis – 3.000 DM
Gabriel Machemer aus Wolfen
Beitrag: Triptychon, Tafelbild „Bitterfelder Altar“

Förderpreis – 250 DM
Jugendhaus „Pferdestall“, Lutherstadt Wittenberg Beitrag: Video „Lebenswende – Verfall einer Biographie“

Förderpreis – 250 DM, Jugendklub ’84 Wolfen Beitrag: Videos „Grauer Wahnsinn“ und „Stadtreporterspiel“

 

Nun das Interview mit Jutta Stein

Was macht eine Bauhaus-Kinderwerkstatt?

Wir hatten da ganz verschiedene Angebote: Malkurse, Schreibwerkstätten, Netzwerk-Umwelt-Bildung, Planungsbegleitung für verschiedene Projekte. Ein breit gefächertes Programm. Insgesamt war die Kinderwerkstatt eingebettet in das Projekt „Industrielles Gartenreich“. Bei diesem Projekt ging es darum, die Region und den Wandel ihrer Struktur in die Diskussion zu bringen und Kinder an Planungen zu beteiligen, wie zum Beispiel der Weiternutzung stillgelegter Braunkohletagebauten. Wir führten zahlreiche Projekte durch, die unter anderem auch vom Land gefördert wurden.

Eines davon war das „Reisebuch“…

Das Buch war auf die ganze Region Wittenberg, Bitterfeld und Dessau bezogen. Wir sind an die Schulen der Landkreise herangetreten und haben die Schüler gebeten, ihre Lieblingsorte zu beschreiben. Zu dieser Zeit gab es hier im Hause eine Druck- und Malwerkstatt, welche anschließend die Texte der Schüler illustrierte. Ähnlich aufgebaut war unser zweites Buch „Kinder- StadtBuch“, ausschließlich über Dessau. Das war dann von der künstlerischen Qualität her schon einen Schritt weiter. Das Besondere an diesem Buch war die Markierung der Lieblingsorte der Kinder in einer Karte. In diesem Plan wurden wiederum Erkundungswege dargestellt, die es den Besuchern unserer Stadt ermöglichten, diese Lieblingsorte der Kinder zu erleben. Das Buch ist in der Stadt ziemlich begehrt gewesen,es wurde vom Tourismusamt gern ausgegeben oder für andere Projekte benutzt. Die Arbeitsgruppe dieses Buches nannte sich „Reisewerk“ und ist mittlerweile sogar in eine kleine Firma übergegangen.

Wie sind Sie darauf gekommen, sich für den Jugend- Kultur-Preis zu bewerben?

Die Kinderwerkstatt war damals Mitglied der LKJ und da kam die Information ganz leicht bei uns an. Unser „Reisebuch“ passte auch gut zum Motto „Unser Land von (A)rendsee bis (Z)eitz“. Wir hätten auch andere Projekte einreichen können, aber wir haben uns für das „Reisebuch“ entschieden, da es die meisten Sparten der Kultur vereinte: Druck, Grafik, Malerei und Schreiben. Es war einfach auch von der Interdisziplinarität das beste Projekt, das man einreichen konnte, fanden wir. Wir haben darüber hinaus noch andere Projekte eingereicht, zum Beispiel Theaterprojekte und Integrationsprojekte mit behinderten Kindern, aber solche Beiträge haben auch andere Teilnehmer eingereicht. Unser „Reisebuch“ war schon sehr originell, und deshalb wohl auch erfolgreich.

Wie wurde der Preis von den Kindern wahrgenommen?

Die Kinder waren sehr glücklich. Das war für sie eine große Auszeichnung. Einfach mal ein Resultat zu haben, zu sehen, dass man beachtet wird. Es gibt ja viele Projekte von Kindern, die aber eher weniger in die Schlagzeilen kommen. Aber allein schon die Fahrt nach Magdeburg, die Preisübergabe durch den Kultusminister, das war schon toll.

Wenn Sie ein Motto für einen Jugend-Kultur-Preis vorschlagen könnten, hätten Sie eine spontane Idee?

Heute würde ich mich mit Themen wie schrumpfende Städte befassen. Wie setzen sich Kinder mit dem Alltag der Stadt auseinander? Das ist ja nun ein aktuelles Thema, in jeder Stadt, dass die alte Bevölkerung anwächst und die junge immer mehr abnimmt oder wegzieht. Dadurch, mit Blick auf die Demokratie, haben die jungen Menschen auch immer weniger Stimme(n). Es wird so sein, dass die alte Bevölkerung das Leben in den Städten bestimmt. Was kann man dem entgegensetzen? Ohne jetzt gegen die Alten zu sein, aber wenn man sich das anguckt, wenn also nur noch über 50-, 60-, 70-Jährige in den Städten leben, kann man von einer „alten Stadt“ sprechen. Ich stelle mir die Frage: Was gibt es da überhaupt noch für Chancen für junge Leute? Wie können die sich verwirklichen? Das ist meiner Meinung nach ein sehr brisantes Thema: Schrumpfen und Altern von Städten. Nach Abschluss des von vornherein zeitlich auf zehn Jahre begrenzten Projektes „Industrielles Gartenreich“ wurde auch die darin eingegliederte Kinderwerkstatt nicht mehr weitergeführt.

Auszug aus der Beurteilung der Jury

„(Die Kinder) entdecken unscheinbare und geheimnisvolle Orte und bannen sie in Geschichten, Märchen, Versen und Bildern. Diese, ihre alltägliche Wirklichkeit, (…) finden in den – oft nur kurzen – Texten einen ganz unverwechselbaren Ausdruck. Der bestimmt durch seine Unmittelbarkeit und Frische und gewährt auf reizvolle Weise Einblick in die Vorstellungs- und Gefühlswelt der kleinen Autoren, in ihre subjektiven Wertungsmaßstäbe, ihre Wünsche und ihre Phantasie.“

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